(62)
Klettern im Wald. Voll cool! TreeRock Hochsolling – 7 Parcours, 58 Stationen. Von leicht bis schwer. Viele Seilrutschen. Erst eine Einweisung vom Kletter-Guide, dann geht’s los.
Kletterparks sind mittlerweile sehr verbreitet und dieser hier liegt in der Nähe Holzmindens, direkt am Waldrand. Er ist einer der modernsten seiner Art. Er besitzt ein System, bei dem man sich am Anfang eines Parcours in ein Sicherungsseil ein- und erst am Ende wieder aushängt. Man muss diese Praxis mit den Karabinern also nicht – wie in den meisten anderen Kletterparks – an jeder einzelnen der zahlreichen Stationen praktizieren. Wirklich ziemlich komfortabel. Mir macht es immer sehr viel Spaß, genau dort zu klettern.
Bei unserem letzten Besuch im TreeRock, wird bei der Einweisung vermittelt, dass Armbänder und Uhren besser abgenommen werden sollen, sie würden beim Klettern hindern. Ich setze mich darüber hinweg. Ich will ja vielleicht mal die Zeiten festhalten, in denen ich einen bestimmten Parcours durchklettere oder zwischendurcha schauen, wie spät es ist. Und was soll ich sagen, das Ganze wird natürlich bestraft. Nach dem Durchklettern einer Station einer der Parcours, erreiche ich die Plattform und ziehe die Sicherung nach. Dabei streife ich mit meinem Handgelenk das Sicherungsseil. Und schwupps, segelt meine Uhr in die Tiefe. Uups.
Kein Problem, denke ich schnell. Sie landete ja gerade weich auf dem federnden Waldboden. Zudem merke ich mir genau, auf welcher Plattform ich gerade stehe. Anschließend finde ich die Uhr nach kurzer Suche wieder. Ich schnalle sie allerdings nicht mehr um, sondern stecke sie in meine Hosentasche. Denn ich will es nicht nochmal provozieren, sie zu verlieren. Schließlich handelt es sich um ein ganz besondere Uhr. Sie ist ein Geburtstagsgeschenk von meinen Töchtern, und sie hat ein Gehäuse aus echtem Holz. Wirklich ziemlich schick!
Ich klettere also entspannt weiter, im sicheren Glauben, der hölzerne Zeitmesser würde die Tiefen meiner Hosentasche erst wieder verlassen, wenn ich irgendwann den letzten Parcours durchklettert habe und ermattet mein Sicherungsgeschirr abgebe.
Nachdem wir ein, zwei weitere Parcours absolviert haben, machen wir eine Pause und verspeisen die mitgebrachten Stullen. In Form von schwarzen Tee, füllen wir auch ein wenig Flüssigkeit nach. Irgendwann will ich dann wissen, wie spät es ist. Ich versuche, meine Uhr in der Hosentasche zu ertasten. Und was soll ich sagen, sie ist nicht mehr da. Mmmh, dann steckt sie ja vielleicht in der anderen Hosentasche… Oh Schreck, ebenfalls Fehlanzeige. Was mache ich denn jetzt?
Ich marschiere zur Parkaufsicht und schildere mein Leid. Mit einem Guide begehe ich die letzten, durchkletterten Parkours mehrfach (!) am Boden – ganz langsam, von Station zu Station. Erfolglos. Ich bedanke mich trotzdem für die nette Unterstützung und zeichne noch kurz auf, wie die Uhr aussieht, welche Farbe sie hat, aus welchem Material sie besteht. Diesen Zettel hinterlasse ich dann mit meiner Handynummer am Stützpunkt der Parkaufsicht. Meine Hoffnung, dass die Uhr gefunden wird, tendiert dabei allerdings gegen Null – denn zwischen all dem Unterholz und Blättern ist das eigentlich unwahrscheinlich…
Ca. zwei Wochen später: Ein Anruf. Liv. Sie arbeitet im Kletterpark Hochsolling. Liv sagt mir, die Uhr sei gefunden worden. Sie wolle wissen, an welche Adresse sie zurückgeschickt werden solle. Meine Freude ist groß, und ich komme aus dem Staunen kaum heraus. Ich frage meinerseits, wer denn die Uhr gefunden habe? Liv antwortet, Kalle habe sie gefunden. Kalle würde jeden Tag durch den Park laufen und irgendwelche Dinge anschleppen. Das seien z.B. Schuhe, Stoffreste oder eben alles, was die Leute so vergessen würden… natürlich auch Uhren. Ich stutze. Was ist das denn für ein Typ? Ich frage, wer Kalle sei, so eine Art Ranger oder Parkwächter? Liv muss lachen. Sie meint, Kalle sei ihr Hund! Ein Golden Retriever-Welpe. Ein halbes Jahr alt. Kalle begleite sie, wenn sie im TreeRock jobbe.
Ich sende nun ein Paket mit Junior-Hundefutter und 20,- € Finderlohn in den Kletterpark an der Schießhäuser Straße. Kalle nimmt es, so höre ich später, freudig zur Kenntnis und lässt gar nicht mehr nach, mit dem Schwanz zu wedeln.
Beim nächsten Besuch im Kletterpark wollen wir Kalle dann auf jeden Fall kennenlernen. Vielleicht bringen wir auch noch einen Knochen mit…